Juryblog Finale 2015

Henning Lühr

Von Henning Lühr:

Der SWM TalentVerstärker 2015 ist nun auch schon wieder Geschichte. Es ging wahnsinnig schnell, was gemeinhin ja ein Zeichen dafür ist, dass es äußerst kurzweilig war. Und das Finale in der Factory war dann mal wieder großes Kino und das Sahnehäubchen schlechthin. Ein irrer Abend unter besten Bedingungen und vor einer tollen Kulisse. Und diese war, bis auf ein paar wohl immer verständliche Unmutsäußerungen bei der Verkündung, auffallend dankbar und fair. Vom ersten Act an gab es Zuspruch, Applaus und ehrliches Interesse. Für mein Empfinden lagen in diesem Jahr auch wirklich alle Finalteilnehmer trotz aller stilistischen Unterschiede äußerst eng beieinander. Dafür sprachen sowohl das Publikums-Voting auf Augenhöhe als auch eine intensive Jury-Diskussion. Die Entscheidung war denn auch mitnichten eine einfache. Sie hätte durchaus auch zugunsten einer der anderen Bands und Interpreten ausfallen können…

Ich für meinen Teil zum Beispiel wankte gar nicht mal so sehr, auch zu meiner eigenen Überraschung, lediglich zwischen den teilnehmenden „Gitarrenbands“. Im Falle von JayFizy nämlich, um dann mal endlich auf die Acts einzugehen, darf man sich zum Beispiel ruhig die Frage stellen (was ich ehrlich bis zum heutigen Tage auch noch tue), ob man das, was der junge Mann da veranstaltet hat, unter dem Gesichtspunkt der Talentförderung nicht genauso mit dem Jury-Preis hätte honorieren können oder gar sollen. Das war so ganz anders als noch im Vorausscheid. Statt eines lupenreinen Rappers sahen wir einen MC, der bis auf wohl lediglich eine Ausnahme komplett andere Tracks spielte und mit diesen und einer auf den Kopf gestellten Bühnenpräsenz zu überraschen wusste. Und gerade das, seine Kreativität und Produktivität machten John für mich zur Überraschung des Abends.

Letztendlich konnten wir uns ja nun bekanntermaßen auf Chivre als Sieger einigen. Die Jungs haben meinen Eindruck vom Vorausscheid bestätigt. Die Gitarren waberten, bissen, kratzten und hypnotisierten die Zuhörer, zusammengehalten vom beeindrucken Schlagzeugspiel Mar(velous)ins. Ruhige Passagen und nach vorne reitende Ausritte wechselten sich ab bei ihrer Reise ins Ungewisse des Space Rocks. Ein Wechselbad der Gefühle mit großer Ausgewogenheit aus Wohlklang und Mut zum Experiment und Uplift. Und immerhin gab es an diesem Abend auch schon das erste Vokal-Element, wenn auch aus der Konserve. Ich bin guter Dinge, dass heute nach erster Enttäuschung auch die Fans der vermeintlich unterlegenen Bands die Entscheidung so gutheißen.

Smoke N Mirrors wurden dem Vernehmen nach von treuen oder auch neu gewonnenen Fans (und die gibt es garantiert) im WWW zum „Sieger der Herzen“ gekürt. Und das ist auch völlig in Ordnung, denn ihr Vortrag war auch am Finalabend äußerst energetisch und hat die „Hintern“ der Anwesenden „getreten“. Hier mache ich es mir mal einfach und verweise vollinhaltlich auf meine Einschätzung aus dem Vorausscheid. Der ist im Wesentlichen nichts hinzuzufügen. Wenn es ein Haar in meiner persönlichen „Entscheidungssuppe“ gegeben hat, dann vielleicht, dass mich ihr Set nicht so unvermittelt aus dem Kalten erwischt hat, wie noch im Vorausscheid. Dazu kam ein (vermutlich rein subjektiver) Eindruck, dass ihre „Rotzigkeit“ an diesem Abend hier und da etwas drüber war. Dann läuft es Gefahr zur Pose oder gar Kopie ihrer selbst zu verkommen. Aber bitte, wer mochte ihnen das an diesem Abend übel nehmen?

Devils Resurrection haben mich mit ihrem akustischen Opener überrascht. Mit dem furiosen Finale nicht minder, wobei ich mich kurzzeitig um die Statik der Bühne sorgte. Dazwischen gab es bei ihnen wie gewohnt ordentlich was auf die Zwölf. Und was ich da gehört habe, hat mich weit mehr überzeugt als noch beim Vorausscheid. Das machte was her. Die Factory kitzelt halt doch immer ein gewisses Etwas aus den Rockern raus. Und das Publikum, und nicht nur ihre Fans, wussten das zu goutieren. Thumbs up!

AnSpielung mussten gegen einige technische Widrigkeiten, ähm nun ja…, anspielen. Doch auch wenn sie einen in meiner Wahrnehmung „vermischten“ Sound oder ein falsches Mikro kompensieren mussten, erschien mir ihr Final-Set doch kompakter, homogener. Die zusätzliche Posaune tat dem ganzen Vortrag ebenso sehr gut. Darüber hinaus bleibe ich dabei, dass mich Spielfreude und musikalische Finesse dieser Band sowie eben diese gewisse Sperrigkeit ihrer Arrangements besonders beeindrucken. Und da es einem großen Teil des Publikums ebenso ging, hat es diese sehr sympathischen und ambitionierten Musiker konsequenterweise zum Publikumsliebling gekürt. Herzlichen Glückwunsch dafür. Ich würde mich wundern, wenn uns AnSpielung in Zukunft nicht einmal öfter über den Weg „laufen“.

Die Kickboard Drivers hatten den schwierigen Part der ersten Band des Abends. Und wurde ihnen das zum Verhängnis? Nichts da. Ich habe mich sehr gefreut, wie souverän sie dieses „Problem“ angegangen sind. Ohne Scheu und Zurückhaltung. Das Publikum wurde jedenfalls in Rekordzeit warm. Die Herren machen einfach einen tollen Sound, sehr druckvoll und mitreißend. Dazu bewiesen sie ihr feines Händchen für Harmonien, Tricks/Licks und dynamische Midtempo-Perlen. Es machte Spaß, Ihnen zuzusehen und -zuhören. Und wer da eben diese aufsperrte, die Ohren mein‘ ich, der wird mir Recht geben. Und sie haben sich des unnützen Lamettas des Vorausscheids entledigt. Konsequenterweise wurden sie mit ihrem Auftritt zu einem Grund der eingangs erwähnten intensiven Jury-Diskussion.

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