Von Henning Lühr:
Wow, was für eine pickepackevolle Markthalle und was für ein bärenstarker Vorausscheid. Fraglos ein angemessener Rahmen für einen TalentVerstärker-Abend mit ganz viel Lametta dran. Von jeweils „beinharten“ Fans einzelner Künstler abgesehen, die ihre Voting- Zettelchen bereits vorab in die Box warfen, gingen die Sympathien des anwesenden und abstimmenden Publikums hin und her. Das sprach für die Beiträge des Abends. Und fand folglich Widerhall in der äußerst knappen Publikumsentscheidung. Vereinzelte Unmutsbekundungen bei der Bekanntgabe der Entscheidungen waren zwar unangemessen aber wohl auch ein Zeichen dafür wie eng der Abend ablief. Und es ist nun einmal kein Sportwettbewerb, bei welchem Zeiten und Weiten entscheiden…
Die Latte gleich recht hoch legte Maximilian Voigt alias The Boy with no Name. Ich war baff, denn ich gestehe, dass ich angesichts der qualitativ schon bemerkenswerten Bewerbungs-Aufnahmen skeptisch war, ob er das so auch so auf der Bühne würde umsetzen können. Und ja, er konnte. Und zwar mit Nachdruck. Was Maximilian, ein wirklich schwer sympathischer und freundlicher Typ, da als erster Künstler des Abends präsentierte, war beeindruckend. Und das trotz der vorherigen Aufregung. Maximilian bestach mit einem akustisch-filigranen und klarem Klangbild, einer emotionsbeladenen Stimme und Arrangements von entrückter, schlichter Schönheit. Der Blick auf die umstehenden Zuhörer verriet mir, dass es auch vielen anderen so ging. Maximilian, bitte „zerre“ deine Musik dorthin, wo sie hingehört, nämlich ins Licht und auf die Bühne. Sehr gerne auch wieder die des TalentVerstärkers.
Keine Frage, die musikalische Tradition erhabener Traurigkeit, ist eine durchaus lange. Das kann man leise und schüchtern und spärlich von der Akustikgitarre begleitet vortragen, was Graeme alias Cellar Boy erwiesenermaßen auch kann, hier an diesem Abend als Trio jedoch hat er sie aber in das breitwandigere Format verpackt. Und sein ruhiger angenehm brummiger Gesang, der durfte dann auch mal laut, und selbst die Gitarren durften mal kurz los stürmen. Ansonsten ist Hektik bei Herrn Salt noch immer verpönt. Ein Glück auch. Die Entscheidung, Marvin und Simon hinzu zu bitten war im Übrigen eine sehr gute. Die drei Jungs haben ihr Set in beeindruckender Manier und stilsicher vorgetragen. Die Stücke, nicht selten hypnotisch, nahmen dabei zwar inhaltlich Kurs durch Untiefen und Unwägbarkeiten, die Klippen namens zu-viel-Pathos, Kitsch und Wiederholung haben Cellar Boy aber elegant umschifft. Thumbs up!
Die Charles Bronzon Gang begann gleich enorm druckvoll. Und das blieb es auch, dabei aber auch immer transparent. Schmissige Songs, die schnell klar machten, was die Stunde geschlagen hat. Und war der Stoff erst in den Ohren, bekam man ich auch nicht mehr so schnell wieder raus. Derber Garagen- Rock’n’Roll der den Spirit des 1, 2, 3 Motörhead-Punkrocks atmet, der bis zur Ausfahrt nicht den Fuß vom Gaspedal nimmt, auf überflüssiges Tamtam verzichtet und trotzdem oder gerade deswegen irre viel Spaß macht. Punkt und aus, mehr gibt es da überhaupt nicht zu schwadronieren. Ein ganz erheblicher Teil des Publikums hat es ganz genauso gesehen. Und wie gesagt, es fehlten nicht mehr Stimmen, als es Akkorde für einen guten Punkrock-Song benötigt. ☺
Tobias „Bossom“ Reinecke war zwar der einzige Rapper des diesjährigen Wettbewerbs aber beileibe nicht auf verlorenem Posten. Tobias ist äußerst umtriebig. Neben dem Hip Hop, über den er durchaus klare Botschaften, den Wert des Lebens oder den Kampf Gut gegen Böse vermittelt, hat er sich auch bereits diverse Videos gedreht, die wiederholt für den Jugendvideopreis nominiert waren. Sein letztes 2015er Werk „Sin City“ läuft meines Wissens noch immer auf Rotation im Offenen Kanal und übernahm auch an diesem Abend den Part des Gassenhauers in seinem insgesamt souveränen wie dynamischen Set, bei dem Angst, Zweifel, Hass und Lüge auf der Bühne als Backing fungierten. Eine gute Idee. Lediglich der Spoken Word- Beitrag war für mein Dafürhalten zu mindestens für die zur Verfügung stehenden 20 Minuten zu dominant und durchbrach den Fluss. Ansonsten: Bossom, ein kreativer Typ, als Rapper, hinter der Kamera oder im RECIT- Verbund und eine Bereicherung für den Wettbewerb.
Bliebe da noch der Publikumsfavorit des Abends, Christian Michael Musik. Christian konnte ganz klar mit seiner sympathischen Interaktion und seinem Humor punkten. Das Publikum hatte er so ganz schnell „im Griff“. Ich weiß nicht, ob – und wenn, welche – Auftritte ihn hier schon geschult haben. Wenn nicht, umso mehr Respekt dafür. Einen guten Teil dazu beigetragen haben meines Erachtens auch seine unaufgeregten Songs und klaren deutschen Texte. Und keine Frage, die Geschichte mit dem Heizungsinstallateur ist schon echt skurril. Ihn dann auch noch auf die Bühne zu holen, dagegen so unerwartet wie naheliegend. Auf jeden Fall eine gute Idee. Ich bin gespannt, ob und was er da im Finale noch draufpacken kann.