Von Henning Lühr:
Ich habe mich gefreut, dass am Samstag des Osterwochenendes trotz einiger Konkurrenz neben den Osterfeuern auch die Herzen der Musikfreunde für die lokalen Talente brannten und entgegen vorheriger Befürchtungen sich doch ein recht ordentliches Auditorium in der Sudenburger Markthalle zusammen fand. Nun aber zum Wichtigsten, den Bands.
Über federnde Knie, Nacken und Stammhirn haben sich die jungen Post-Rocker Chivre meine Sympathie erspielt und sie zu meinen Favoriten des Abends gemacht. Und diesbezüglich war ja letztendlich auch die Jurymeinung nahezu einhellig. Die drei Jungs geizten von Anfang an nicht mit musikalischer Präsenz. Mit ihrem druckvollen, dramatischen, nicht selten epischen Spacerock schmettern sie ihren Zuhörern via Tempi- und laut-leise-Wechsel in einem Moment die volle Breitseite ins Antlitz, um im nächsten Moment in tiefe Melancholie zu verfallen. Das war ein runder, dynamischer, mal sphärischer, mal eruptiver Vortrag. Komplexe Songs, im positiven Sinne verspult, verschwurbelt und verdreht. So arrangiert, dass ich das Fehlen der Stimme überhaupt nicht vermisste. Dem Vernehmen nach ist man ja aber dabei, der Musik doch zumindest hin und wieder eine solche zu geben. Vielleicht ja schon im Finale…
Schwere Grooves gab es von In Sane auf die Ohren. Die Vorjahresfinalisten, die im vergangenen Dezember ihr Debütalbum namens „Greatest Reunion Ever“ veröffentlicht haben, boten Melodien im Überfluss und durchschlagskräftige Power-Tritte aus dem Background. Innerhalb der Jury waren wir uns einig, dass die Band konsequent an ihrem Stil weiter gearbeitet und weiter entwickelt hat. Insbesondere letzteres war eindeutig zu konstatieren. Hinweise und Empfehlungen haben die Jungs angenommen, ohne sich dabei zu verbiegen. Geblieben sind aggressive Riffs, der stampfende Takt sowie die eingängigen Refrains. Ich hätte sie gern wieder im Finale gesehen. Der Zuspruch war auch hier in der Jury allgemein. Angesichts lediglich eines seitens der Jury zu vergebenden Finalplatzes schlug das Pendel dann aber zugunsten der TalentVerstärker-Debütanten Chivre aus.
Des Publikums Gunst fiel den Metallern von Devils Resurrection zu. Ich gestehe, dass ich drei Jahre nach ihrer letzten Finalteilnahme in einem „Zwanzig-Minuten-Set“ nicht unbedingt Songs aus eben dieser erwartet hätte, die „Nummer-Sicher“ mag durchaus legitim sein, etwas schade fand ich sie dennoch. Denn gern gehört hätte ich, was denn da so in den vergangenen drei Jahren im Hause „DR“ passiert ist. Unstreitig jedoch ist, dass die Jungs ihre Liebe zur Musik aus- und das Publikum selbige erlebt. Das war glaubhaft, von der Mantra-artigen Beschwörung eines zehnköpfigen Moshpits vielleicht einmal abgesehen. Jedenfalls hatte die Band das Publikum schnell auf seiner Seite und an der Interaktion mit selbigem mangelte es schon einmal gar nicht. Ich bin aber gespannt, ob die Band im Finale neben den eigenen Fans auch Genre-fernes Publikum zu überzeugen weiß. Dass sie es können, haben sie weiland bewiesen.
Die drei jungen Punkrocker von Ostbrut hatten nicht minder Spaß an diesem Abend. Letztendlich war dieser wieder einmal ein Zeichen dafür, was den TalentVerstärker ausmacht. Junge frische Bands, für die der Weg das Ziel ist. Und der Weg ist nun einmal ein Auftritt unter tollen Voraussetzungen vor einem interessierten Publikum. Angesichts dessen dürfte ihre anfängliche Enttäuschung ob des ausbleibenden Pogos vor der Bühne dem Spaß an der Freude gewichen sein. Eine sympathische Band, die eben diesen auch ausstrahlte. Mit der Entscheidung hatten sie zwar letztendlich nichts zu tun aber dem Wettbewerb gut getan haben sie sehr wohl.
Dies habe ich es bei proXCorP ebenso gesehen. Handwerklich war die Band dem bloßen Talentstatus längst entwachsen. Stilistisch haben sie sich für den „ollen“ Rock entschieden. Angesichts der Vielzahl an Bands, die diese Scholle beackern, fehlte mir an diesem Abend jedoch noch die zwingende Hookline oder eben das eigene Gesicht. Da den Jungs aber eine gewisse Unverkrampftheit an der Sache anzumerken war, sollte sich dieses, meines Erachtens, aber durchaus noch herausbilden. Wir sehen uns im nächsten Jahr doch wieder, oder?
Von Jenny Reich:
Den Abend eröffneten proXCorP mit angenehmen Alternative Rock. Bekanntlich ist der erste Slot auf einem solchen Contest immer etwas undankbar. Die Halle war noch nicht allzu sehr gefüllt und das Publikum ist immer schwer zu begeistern. Jedoch ließen sie sich davon nicht beirren und zogen ihre eigene Performance eiskalt durch. Ihre Musik zieht einen mit, sich zu bewegen und zu tanzen, jedoch war der Gesang hier leider nicht ausreichend. Ich bewundere allerdings ihren Mut, trotz des scheuen Publikums, immer wieder die Interaktion mit den Zuschauern zu suchen und sie zu motivieren.
Devils Resurrection haben unglaublich viele Freunde und Bekannte mit in die Sudenburger Markthalle gebracht, was sich während ihres Auftrittes deutlich bemerkbar machte. Sie waren 2012 schon im Finale und wollten nun wieder ihr Glück versuchen. Zu Metal kann ich leider nicht allzu viel sagen, da ich mich zu wenig mit diesem Genre beschäftige. Jedoch machten ihre Fans ordentlich Stimmung vor der Bühne, was auch bei dem ein oder anderen dazu führte, sich mitreißen zu lassen. Letztendlich lohnte es sich für die vier Jungs so viel Unterstützung dabei gehabt zu haben, denn sie wurden durch die Publikumsstimme ins Finale geschickt.
Bei Chivre mischen zwei schon bekannte talentierte Musiker aus Magdeburg mit. Der ein oder andere sah vielleicht Bassist Simon 2009 mit seiner Band ‚Nevertheless‘ oder Drummer Marvin 2014 mit seiner Band ‚Berlin Syndrome‘ das Finale des SWM Talentverstärkers gewinnen. Gemeinsam mit den Gitarristen Benedict und Philipp beschlossen sie in diesem Jahr mit ihrem Zweitprojekt ‚Chivre‘ anzutreten. Hier vereinen sich vier sehr junge und dennoch großartige Künstler mit viel Potenzial nach oben. Wer schon immer mal hören wollte wie Post Rock mit einer Prise Progressive Rock klingt, ist hier an der richtigen Stelle. Dass es keinen Sänger gibt, störte mich absolut gar nicht, woran sich aber jedoch der ein oder andere erstmal gewöhnen muss. Auch ohne Gesang schaffen die vier Magdeburger Jungs es eine gewisse Dramaturgie und Stimmung mit ihren Songs darzustellen. So war es für uns als Jury eindeutig, dass sie es verdienen von uns weitergeschickt zu werden. Und wer weiß, vielleicht überraschen sie uns ja doch noch im Finale mit ein wenig Gesang?
Auch In Sane sind dem SWM Talentverstärker-Fan vielleicht schon mal über den Weg gelaufen. Standen sie doch im letzten Jahr neben ‚Berlin Syndrome‘ auf der Finalbühne in der Factory, so versuchten sie in diesem Jahr erneut ihr Glück. Mit ihrem, wie sie es nennen, ‚Uff de Mütze‘-Metal Rock heizten sie auch am vergangenen Samstag dem Publikum gut ein. Wie bei all ihren Auftritten sorgten sie mit Konfetti und Knicklichtern für Stimmung und zogen ihre ganz eigene Show durch. In der Jury freute man sich sehr darüber, dass einige Kritikpunkte des letzten Jahres verbessert worden. Aufgrund dessen fiel unsere Entscheidung zwischen ihnen und Chivre sehr knapp aus. Für meinen Geschmack könnte Alex öfter singen, anstatt wie in der Metal-Szene üblich ins Mikrophon zu grölen, denn so übel ist seine Stimme gar nicht, als dass man sie verstecken müsste.
Als letzter Act des Abends ging die Punkrock-Band Ostbrut aus Burg an den Start. Sie produzierten im Vorfeld sogar schon eine EP und drei Alben auf eigene Faust. Die Dreier-Formation erinnert mit ihren humorvollen sarkastischen Texten ein bisschen an den Stil der Ärzte. Ihre Musik bietet einiges Potenzial nach oben, sie könnten ihre Fans viel mehr mitnehmen. Jedoch fehlte es hier leider etwas an Performance und Begeisterung. Im Gepäck hatten auch sie eine bunte Partymeute, jedoch reichte es hier leider nicht für die Publikumsstimme.