Von Henning Lühr:
Na das war ja ein würdiger und stimmungsvoller Abschluss des Talentverstärkers 2014. Weder ESC noch Wetter haben das zahlreich erschienene Publikum abschrecken können. Das darf man dann ruhig dem Wettbewerb und vor allem den teilnehmenden Bands zugute schreiben. Ich ziehe die Kappe, und die ist ja sonst eher auf meinem Kopf festgenagelt.
Bobby Ka haben als erste Band des Abends erst gar nicht lang gefackelt. Trotz anfänglicher technischer Probleme ging es bei ihnen ordentlich zur Sache, womit sie die Latte für die nachfolgenden Bands gleich ganz hoch gehängt haben. Das war beeindruckend. Ein äußerst solides und souveränes Set, handwerklich tip top, mit guten Songs und einer Bühnenpräsenz ohne Fehl und Tadel. Es war mir klar, dass mit der Band in der Endabrechnung zu rechnen war. Und so kam es auch, die Gründe für die letztendliche Juryentscheidung waren dann auch subjektive.
Screw FM haben mit ihrem Finalauftritt in meinen Augen die „dicke Hose“ ausfüllen können, die mir im Vorausscheid hier und da noch etwas zu groß geraten schien. Was haben die uns für ein druckvolles Set vor den Latz gehauen, fürwahr ein im wahrsten Sinne des Wortes körperlicher Vortrag. In Bauch und Beinen zu spüren. Srcew FM waren auch für mich eine der Bands, die im Finale enorm zugelegt haben. Bis hin zum Sänger, der meines Erachtens nicht mehr „so im Vordergrund“ stand, wie noch beim Vorausscheid. Das ließ den ganzen Auftritt viel homogener erscheinen. Sehr angenehm und förderlich für den Gesamtvortrag, der folgerichtig das Publikum des Abends für die Magdeburger Hardrocker am meisten (wenn auch knapp) einnahm. Alle Achtung meine Herren.
Dominiert wurde der Abend, wenn nicht der ganze Wettbewerb, von einer Band, die sich gerade erst gegründet hat, den Wettbewerb sogar erst als Anlass genommen hat, sich zusammen zu tun: Berlin Syndrome. Zu Beginn ihres Finalauftrittes jedoch schien sich noch die alte Weisheit zu bewahrheiten, dass die Factory ein Rockschuppen ist. Was zuvor Screw FM noch zum Vorteil gereichte, ließ mich anfangs befürchten, dass die Band unverschuldet Federn lässt, weil insbesondere Gitarre und Bass arg undifferenziert vermischt daherkamen. Glücklicherweise konnte ich das doch schnell der Akustik auf dem Factory-Balkon in die Schuhe schieben. In der Folge und im Saal stellte sich dann das ein, was mich für die Band schon im Vorausscheid eingenommen hat. Ein gewisses behagliches Unbehagen schaukelte sich gemächlich aber unaufhaltsam hoch, schürt Spannungen, die anhielten und sich nicht schnöde entladen wollten. Es herrschte eine tolle Art heilsamer Bedrohlichkeit. Eine irre Atmosphäre. Und songtechnisch war diese Combo sowieso ganz weit vorn. Und da ist meines Erachtens noch so viel Potential, da kann noch so viel kommen. Ich wünsche Berlin Syndrome alles Gute und vor allem noch viel gemeinsame Zeit, damit da nicht so schnell verlischt, was da als Band zu funkeln beginnt. In der Vergangenheit war das ja bei so manchem Wettbewerbslichtblick leider doch der Fall.
Ein Wunsch im Übrigen für alle Bands. Auch wenn die Schnelligkeit, mit der heuer die Sau durchs mediale Dorf getrieben wird, das manchmal so schwer erscheinen lässt.
Um Kelso Lane mache ich mir diesbezüglich keine Sorgen. Diese Band erschien mir als Kollektiv, gefestigt und mit unendlich viel Spaß an der Sache. Dafür spricht auch deren andauernde Existenz. Diese Herrschaften haben dem Wettbewerb sehr gut getan, nicht nur dank der von ihnen freigiebig verteilten musikalischen Farbtupfer. Sondern auch angesichts dieses – man gestatte mir an dieser Stelle etwas Pathos – Spirits, der von ihnen ausgeht. Ich hatte mit und an ihnen viel Spaß. Da erscheint nichts konstruiert. Im Vergleich gefiel mir persönlich jedoch der etwas reduziertere Auftritt beim Vorausscheid besser. Hier im Finale war mir das etwas zu viel. Zumindest für 20 Minuten. Auf Konzertlänge ist das garantiert schon wieder etwas ganz anderes. Eine tolle und sympathische Band.
In Sane waren wohl die Überraschung des Abends. Grund dafür war, dass sie am meisten zuzulegen hatten, am meisten zulegen konnten. Das war sehr beeindruckend. Ihr Auftritt war reduzierter, nicht so vollgepackt mit Gästen, sondern mit dem Fokus auf das Wesentliche. Das kam in seiner Gesamtheit sehr gut rüber. Ihre Emo/Metal- Melange konnte viel besser wirken und der Gesang hatte größere Anteile gegenüber den Shouts. Und das war gut so, das hat der verdient. Das mochte ich gut leiden. Und da stand ich nicht allein. Diese Band machte die abschließende Jurydiskussion noch um einiges spannender als es vorab auf dem Papier vielleicht zu erwarten war.
Delt∆ hatten es dann zum Abschluss ganz schwer. Wie schwer dabei das vorab aufgrund der Diskussionen des Vorausscheids und der Jurorentipps geschnürte Bündel wog, vermag ich nicht einzuschätzen. Im Vergleich mit den anderen Bands des Abends blieben sie jedoch zweite Sieger. Und da ist er wieder der Wettbewerbs-Sprech… nein, es ist kein Sportwettbewerb, es entscheiden weder Zeiten noch Weiten. Musik macht man gemeinhin für sich und sein Publikum. Und jedwede Einschätzungen sind weitestgehend subjektiv. Angesichts dessen kann hier niemand verloren haben. Und ihr Publikum haben Delt∆, sonst hätten sie erst gar nicht auf der Factory-Bühne gestanden. Und der Wettbewerb lebt von den teilnehmenden Bands. Und zu seinem unzweifelhaften Gelingen 2014 haben Delt∆ ebenso beigetragen. Danke.